Was ist im Strafrecht der Unterschied zwischen einer Legalprognose und einer Kriminalprognose?

14. März 2025

Strafrecht

Der Unterschied zwischen einer Legalprognose und einer Kriminalprognose im Strafrecht besteht darin, dass die Legalprognose die juristische Einschätzung des Gerichts über die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten einer Täterin oder eines Täters darstellt, während die Kriminalprognose die fachliche, oft psychologisch und kriminologisch fundierte Beurteilung des Rückfallrisikos durch Expertinnen und Experten ist.

Die Legalprognose basiert auf einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände, wie dem strafrechtlichen Vorleben, der Persönlichkeit, dem Verhalten während des Verfahrens und den zukünftigen Lebensumständen. Dabei sind alle Tatsachen zu berücksichtigen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen (vgl. (6B_1308/2023)). Sie ist entscheidend für strafrechtliche Entscheidungen wie die Gewährung eines Strafaufschubs, die Anordnung von Massnahmen oder die bedingte Entlassung.

Die Kriminalprognose bezieht sich insbesondere auf die Kriminalitätsentwicklung, also Beginn, Art und Häufigkeit des früheren strafbaren Verhaltens, und dient als entscheidendes Prognosekriterium für die Legalprognose (vgl. (BGE 148 IV 1)). Sie wird häufig durch Sachverständige erstellt und liefert dem Gericht wichtige Informationen über die Gefährlichkeit und das Rückfallrisiko der Täterin oder des Täters.

Zusammenfassend bildet die Kriminalprognose die fachliche Grundlage für die Legalprognose des Gerichts. Während die Kriminalprognose die wissenschaftliche Einschätzung des Rückfallrisikos darstellt, ist die Legalprognose die juristische Bewertung dieses Risikos im Hinblick auf rechtliche Entscheidungen.

Zitate:

- (BGE 148 IV 1)

- (6B_1308/2023)

Sources

federal - I. strafrechtliche Abteilung - January 21, 2024

6B_1308/2023

1 StGB kann das Gericht den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen. Grundvoraussetzung für eine teilbedingte Strafe gemäss Art. 43 StGB ist wie bei Art. 42 StGB, dass die Legalprognose des Täters nicht schlecht ausfällt. Der Hauptanwendungsbereich der teilbedingten Strafe liegt bei Freiheitsstrafen zwischen zwei und drei Jahren. Fällt die Legalprognose nicht negativ aus, tritt der teilbedingte Freiheitsentzug an die Stelle des in diesem Bereich nicht mehr möglichen vollbedingten Strafvollzuges. Besteht hingegen keinerlei Aussicht, dass sich der Täter durch den - ganz oder teilweise - gewährten Strafaufschub im Hinblick auf sein zukünftiges Legalverhalten positiv beeinflussen lässt, ist die Strafe in voller Länge zu vollziehen (BGE 144 IV 277 E. 3.1.1; 134 IV 1 E. 5.3.1; je mit Hinweisen). Bei der Prüfung des künftigen Wohlverhaltens sind alle wesentlichen Umstände zu beachten. Zu berücksichtigen sind neben den Tatumständen namentlich das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen. Ein relevantes Prognosekriterium ist insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung, die Sozialisationsbiografie, das Arbeitsverhalten oder das Bestehen sozialer Bindungen. Dabei sind die persönlichen Verhältnisse bis zum Zeitpunkt des Entscheids miteinzubeziehen. Es ist unzulässig, einzelnen Umständen eine vorrangige Bedeutung beizumessen und andere zu vernachlässigen oder überhaupt ausser Acht zu lassen (BGE 135 IV 180 E. 2.1; 134 IV 1 E. 4.2.1; je mit Hinweisen). Dem Gericht steht bei der Prüfung der Prognose des künftigen Legalverhaltens ein Ermessensspielraum zu.

Zusammenfassung

federal_leading - 1. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen A. und vice versa (Beschwerde in Strafsachen) - August 22, 2021

BGE 148 IV 1

64 StGB muss das für deren Beurteilung zuständige Gericht erneut über eine allfällige Verwahrung entscheiden. Sowohl bei der nachträglichen Verwahrung gestützt auf Art. 62c Abs. 4 StGB als auch bei der originären Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 StGB muss der Richter für die entscheidende Frage nach der Legalprognose eine Gesamtbetrachtung vornehmen. Die Kriminalitätsentwicklung, d.h. Beginn, Art und Häufigkeit des früheren strafbaren Verhaltens, ist ein entscheidendes Prognosekriterium (HEER/HABERMEYER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2019, N. 68 zu Art. 64 StGB). Lehre und Rechtsprechung anerkennen daher, dass bei der Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 StGB für die Legalprognose nicht nur den neu zu beurteilenden Anlasstaten, sondern - unabhängig von der zwischenzeitlichen Löschung im Strafregister - auch allfälligen Vorstrafen Rechnung zu tragen ist (BGE 135 IV 87 E. 2.5; HEER/HABERMEYER, a.a.O., N. 68 zu Art. 64 StGB). Desgleichen kann bei der Beurteilung einer nachträglichen Verwahrung infolge Aussichtslosigkeit der zuvor angeordneten stationären therapeutischen Massnahme (vgl. Art. 62c Abs. 4 StGB) die neue Delinquenz nicht einfach ausgeblendet werden. Eine getrennte Weiterführung der beiden Verfahren war daher weder möglich noch angezeigt. 3.6.2 Das Amtsgericht von Olten-Gösgen (mittels Beschluss vom 4. Juni 2020 und Urteil vom 10. Dezember 2020) und das Obergericht des Kantons Solothurn (in den Beschlüssen vom 8. Juli 2020 und vom 18. März 2021) sprachen sich in der vorliegenden Konstellation daher zu Recht für eine Verfahrensvereinigung und für die abschliessende Beurteilung der hängigen Verfahren betreffend Verwahrung im erstinstanzlichen Strafurteil aus (vgl. Art. 80 Abs. 1 Satz 1 StPO). Das Strafverfahren wegen neuer Straftaten, in welchem erneut über die Verwahrung zu befinden ist, geht dem selbstständigen nachträglichen Massnahmeverfahren insofern vor. Dieser Grundsatz liegt auch Art. 62a Abs. 1 lit.

Zusammenfassung